22. Oktober 2021

Im Interview: Julia Grimm

Die Assistenzprofessorin an der Jönköping University in Schweden hat für ihre Dissertation zur Nachhaltigkeit in der Textilwirtschaft den Wolfgang-Ritter-Preis 2021 gewonnen.

Ihr Thema?  

Meine Arbeit analysiert das deutsche Bündnis für nachhaltige Textilien, gegründet nach einer der schlimmsten industriellen Katastrophe unserer Geschichte (Rana Plaza Unglück 2013). Das Bündnis hat sich zum Ziel gesetzt, gemeinsam mit diversen Textilunternehmen und anderen Interessensgruppen Strategien für mehr Nachhaltigkeit in der Lieferkette zu entwickeln. Individuelle Firmenstrategien reichen nicht aus, um Menschenrechtsverletzungen in globalen Wertschöpfungsketten zu verhindern. Es bedarf kollektiver Lösungen (Multi-Stakeholder-Initiativen), um systematische Probleme zu bekämpfen.

Was bedeutet der Wolfgang-Ritter-Preis für Sie?

Als Sozialwissenschaftlerin und Betriebswirtin beschäftige ich mich täglich mit der Frage, wie wir eine sozial und ökologisch nachhaltige Zukunft erreichen können und, konkret, welche Rolle dabei Unternehmen in der Marktwirtschaft spielen. Wer trägt Verantwortung, wofür, und warum? Wie können wir Menschenrechtsverletzungen wie moderne Sklaverei oder sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz (speziell in globalen Wertschöpfungsketten) verhindern? Wie können Politik und Gesellschaft mobilisiert werden? Etc.

Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass meine Arbeit mit dem Wolfgang-Ritter-Preis ausgezeichnet wird. Das bedeutet für mich, dass meine Studie zum deutschen Textilbündnis nicht nur hochaktuell ist, sondern von der Stiftung auch als höchst relevant beurteilt wurde – in Bezug auf die lösungsorientierte Frage, was gegen Menschenrechtsverletzungen in der globalen Textilindustrie getan werden kann.

Schon eine Idee, was Sie mit dem Preisgeld machen werden?

Ich möchte das Preisgeld in meine Forschung reinvestieren. Mein Plan ist, baldmöglich ein Forschungssemester für eine drei- bis sechsmonatige Feldforschung zu beantragen. Ich träume schon lange davon, die indigenen Sámi-Einwohner in Nordschweden für eine Weile zu begleiten (methodisch spricht man hier von einer teilnehmenden Beobachtung). Besonders in der Rentierwirtschaft und -haltung haben die Sámen bereits stark mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen (Hitzestress, Nahrungsmittelmangel, etc.). Da ökologische Nachhaltigkeit eines meiner zentralen Forschungsinteressen ist, würde mich interessieren, wie Völker, für die der Klimawandel schon heute fatale Folgen bringt, damit umgehen (Rolle von bottom-up leadership, anticipatory routines, crisis response, etc.).

Wie ist Ihre aktuelle Position?

Seit 1. September 2021 arbeite ich als Assistenzprofessorin an der Jönköping University in Schweden. Zuvor war ich Postdoktorandin an der Universität Cambridge, an der ich auch noch bis Ende des Jahres als Gastforscherin affiliiert sein werde.

Ihr wissenschaftliches Hauptinteresse gilt ….?

Als qualitative Forscherin und Ethnografin liegt meine große Leidenschaft in der Feldforschung, d.h. in der (teilnehmenden) Beobachtung und Befragung von Informantinnen. Theoretisch bewege ich mich an der Schnittstelle von Soziologie und BWL – und lese insbesondere organisationstheoretische Beiträge. Dabei ist für mich immer die Frage, wie soziale und ökologische Nachhaltigkeit erzielt werden kann, zentral. In der Vergangenheit standen hierbei Multi-Stakeholder-Initiativen und Bündnisse mehrerer Akteursgruppen, Unternehmen und deren Wertschöpfungsketten sowie soziale Bewegungen im Vordergrund.

Welche wissenschaftliche Frage (in Ihrem Arbeitsgebiet) möchten Sie unbedingt noch beantworten? 

Was mich aktuell umtreibt, ist die Frage, wie ein „sense of urgency“ erreicht werden kann, um Unternehmen, Politik und die Öffentlich zu bewegen, dem Klimawandel entgegenzuwirken bzw. antizipatorische Maßnahmen zu ergreifen. Da der Klimawandel noch heute für viele als „Problem der Zukunft“ verstanden wird, fehlt Konsens hinsichtlich: Wer ist verantwortlich, welche Lösungen ergeben Sinn, etc.

Foto: Frank Pusch

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