28. Dezember 2020

Im Porträt: Claas Ehmke

Die Welt der Robotik ist faszinierend und international stark vernetzt. Der junge Bremer Claas Ehmke gehört dazu: Er hat beispielsweise am MIT in Boston einen Roboterhund zur Unterstützung von Klinikpersonal während der Covid-19 Pandemie mitentwickelt und forscht über verschluckbare Roboter genauso gern wie über fahrerlose Rennboliden. 

Das Massachusetts Institute of Technology in Boston – Sehnsuchtsort für fast jeden technikbegeisterten jungen Wissenschaftler. Für Claas Ehmke hat sich dieser Traum erfüllt. Nach dem Abitur am Kippenberg-Gymnasium und dem Studium in München, Singapur und Zürich hat er 2020 in den USA für seine Masterarbeit forschen dürfen. „Die Stelle dort war wie für mich gemacht“, sagt er.

Translationale Medizin

Denn Ehmke geht es um mehr als die reine Informatik. „Mich fasziniert die Interaktion zwischen den drei Robotik-Bereichen Elektrotechnik, Mechanik und Informatik. Das Potenzial, einen persönlichen und auch gesellschaftlich relevanten Impuls in allen drei Bereichen zu setzen, sehe ich in der Robotik-basierten translationalen Medizin.“ Hier spielen noch die Bereiche Chemie, Biologie und Medizin mit hinein. Der Forschungsbereich ist noch relativ jung, aber er hat extrem gute Aussichten.

Roboter als Pille

Die Masterarbeit, die er Anfang 2021 abschließt, dreht sich um verschluckbare Roboter. „Ich forsche an Robotik-Lösungen für den Magen-Darm-Trakt und entwickle einen Roboter, den man wie eine Pille verschluckt. Seine Sensoren messen Werte im gesamten Darm. Diese Werte sind wichtig für die Diagnose und Behandlung bei chronischen Darmkrankheiten.“ An dem Thema bleibt Ehmke dran: Ab Februar 2021 startet er in Zürich sein Doktorandenstudium im Bereich flexibler Mikroroboter mit medizinischem Fokus.

©Spot Image Courtesy of the researchers, edited by MIT

Roboterhund Dr. Spot

In Boston hat er aber nicht nur an seiner Masterarbeit geschrieben. Der pandemiebedingte Lockdown hat die Prioritäten akut verschoben: „Meine Forschungsgruppe am MIT und das Brigham and Women’s Hospital (Lehrkrankenhaus der Harvard Medical School) haben sofort eine Kooperation mit Boston Dynamics gestartet, um Vitalwerte (Herzrate, Temperatur, Atemrate und Blutsauerstoffgehalt) von potenziell mit Covid-19 infizierten Personen kontaktlos mit vier Kameras zu messen und somit das Infektionsrisiko von klinischem Personal zu reduzieren.“ So entwickelten sie den Roboterhund Dr. Spot, der in den USA Schlagzeilen in der Pandemiebekämpfung machte. Denn das klinische Personal kann mit seiner Hilfe effizienter und sicherer eine Vordiagnose stellen und seine Arbeitslast merklich reduzieren.

Fernbedienung für Beatmungsgerät

Zugleich hat Ehmke mit fünf Freunden aus Zürich – in Reaktion auf einen Hilferuf von Krankenhäusern an die Industrie – eine Fernbedienung für Beatmungsgeräte entwickelt. Diese müssen häufig und intensiv kontrolliert werden. Dazu muss das medizinische Personal jedesmal eine komplette Schutzkleidung anlegen, in das Intensivzimmer hineingehen, sich einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen und anschließend die wertvolle Schutzkleidung wieder vollständig entsorgen. Dies kostet Ressourcen, Zeit und Kraft. „Unsere Lösung, im universitären Umfeld eng mit einem der größten Beatmungsgerätehersteller der Welt entwickelt, hilft erheblich in der Pandemie, zeigt aber auch ein Zukunftskonzept auf, um den Klinikalltag auch während normaler Zeiten mit einem kleinen Gadget sicherer und wirtschaftlicher zu gestalten“, so Ehmke.

Rechts im Bild: Claas Ehmke, ©Rankin

Rennwagen „driverless“

Eine weitere Leidenschaft des Bremer Nachwuchswissenschaftlers ist das autonome Fahren. Ehmke war Kernmitglied des „driverless“-Rennteam des Akademischen Rennsportvereins Zürich (AMZ) für autonom fahrende Autos, das schon einige internationale Wettbewerbe gewonnen hat. Der Verein hält übrigens den Guinness-Weltrekord für das am schnellsten beschleunigende Fahrzeug (von 0-100 kmh in 1.513 Sekunden). Ehmke war in dem Team mit einem Kollegen für den Kartierungs- und Lokalisierungsalgorithmus verantwortlich und hat sich um die gesamte Fahrzeugelektronik gekümmert.

Algorithmen für Rennwagen – und den Darm

Die Boliden-Begeisterung lehnt sich eng an Ehmkes wissenschaftliches Hauptinteresse an. „In der Robotik ist alles sehr stark miteinander vernetzt und die Technologien verschiedenster komplett unterschiedlicher Themen ähneln sich. So können zum Beispiel verschiedene Lösungen im autonomen Fahren auch leicht abgeändert in der Medizintechnik verwendet werden. Will sagen: Im AMZ arbeite ich mit Kartierungs- und Lokalisierungsalgorithmen, um autonome Fahrzeuge auf der Strecke zu lokalisieren und die Strecke automatisch zu vermessen. Auf Basis der gleichen Algorithmen kann eine 3D-Karte der Lunge oder des Darms mit Endoskopen erstellt werden.“ Als nützliches Hilfsmittel dient natürlich auch die künstliche Intelligenz: „Sich über die neuen Erkenntnisse und Möglichkeiten dieser Technologie zu informieren und diese auch zu verstehen, ist für mich und meine Forschung wichtig.

Biographische Klammer

Claas Ehmke ist also auf einem vielversprechenden Weg und das MIT wird nicht nur eine Etappe auf diesem Weg bleiben. Er hat Anschluss an die internationale  wissenschaftliche Community gefunden – auch dank der Wolfgang-Ritter-Stiftung. „Die Förderung der Stiftung war und ist sehr wichtig für mich. Damit konnte ich mich in den USA voll auf meine Forschung konzentrieren.“ Boston, sagt er, ist bisher die teuerste Stadt, in der er gelebt hat; die Lebenshaltungskosten für Studenten sind weit höher als in München, Singapur oder Zürich. Hinzu kommt noch ein besonderer biographischer Bezug: „Mein Vater hat sein ganzes Leben bei der Martin Brinkmann AG gearbeitet. Von ihm habe ich, was die Herangehensweise zur kreativen technischen Problemlösung angeht, viel gelernt.“

Weitere Beiträge

36. Bremer Universität-Gespräche: Wissenschaftsfreiheit im Fokus

36. Bremer Universität-Gespräche: Wissenschaftsfreiheit im Fokus

Wie steht es um die Wissenschaftsfreiheit ? Studien zeigen, dass sie weltweit unter Druck steht – auch in Europa. Bei den 36. Bremer Universitäts-Gesprächen diskutierten Experten und Interessierte aus Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft über das, was die freie Forschung bedroht. Dabei wurden Gefahren und Herausforderungen beleuchtet und neue Impulse für einen besseren Schutz gesetzt.

mehr lesen
Forum am Domshof: Ein Ort, an dem Zukunft entsteht

Forum am Domshof: Ein Ort, an dem Zukunft entsteht

Das Forum am Domshof verbindet Wissenschaft und Gesellschaft auf neue Weise. Einst eine Bank, heute ein Ort des Wissens, des Dialogs und der Innovation. Hier entstehen Ideen, Lehre und Austausch – ein lebendiges Zentrum für Fortschritt und kreative Zusammenarbeit mitten in der Bremer Innenstadt.

mehr lesen
Innovative Lösungen im Fokus: Erster Transferpreis der Universität Bremen 

Innovative Lösungen im Fokus: Erster Transferpreis der Universität Bremen 

Die Universität Bremen verlieh erstmals den Transferpreis – an das Projekt DENCAI, das eine Software zur Bekämpfung von Dengue-Infektionen entwickelt hat. Der Informatiker Dr. Thomas Barkowsky und sein Team arbeiten gemeinsam mit der Mahidol University in Bangkok an dieser Lösung, die bereits im thailändischen Gesundheitswesen eingesetzt wird. Projekte wie DENCAI zeigen, wie Wissenschaft einen nachhaltigen Beitrag zu einer lebenswerten Zukunft leisten kann.

mehr lesen
Mit Herz und Kopf: Studierende gestalten Bremen sozial und nachhaltig

Mit Herz und Kopf: Studierende gestalten Bremen sozial und nachhaltig

Studierende der Constructor University zeigen Engagement: Im Rahmen ihrer Community Impact Projekte (CIPs) entwickeln sie kreative Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen in Bremen. Bei der CIP Pitch Night präsentierten sie ihre Ideen – vom Fahrrad-Reparatur-Workshop für Geflüchtete bis zur Augmented-Reality-App für historische Stadterlebnisse. So leisten sie einen aktiven Beitrag für eine lebenswerte Stadt.

mehr lesen
Dynamic Days Europe 2024: Junge Forschende gestalten  Fortschritt

Dynamic Days Europe 2024: Junge Forschende gestalten Fortschritt

Die Dynamic Days Europe 2024 an der Constructor University Bremen boten Nachwuchswissenschaftler*innen die Gelegenheit, ihre Projekte im Bereich dynamischer Systeme einem internationalen Publikum vorzustellen und wertvolle Impulse zu sammeln. Die Veranstaltung förderte Austausch und Inspiration für eine nachhaltige Zukunft.

mehr lesen
Soziale Gerechtigkeit und digitale Innovation

Soziale Gerechtigkeit und digitale Innovation

Am 8. Mai 2024 fand im Bremer Rathaus die feierliche Verleihung des Wolfgang-Ritter-Preises statt. Dieses Jahr wurden zwei herausragende Wissenschaftlerinnen für ihre wegweisenden Arbeiten geehrt: Prof. Dr. Julia Kraft von der Universität Potsdam und Dr. Katharina Drechsler von der Universität zu Köln.

mehr lesen
Ehrung für die Jahrgangsbesten

Ehrung für die Jahrgangsbesten

Einmal jährlich zeichnet die Wolfgang-Ritter-Stiftung mit ihrem Studienpreis herausragende Bachelor- und Master-Absolventen des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bremen aus.

mehr lesen
35 Jahre Bremer Universität-Gespräche: Innovativer Dialog für eine nachhaltige Zukunft

35 Jahre Bremer Universität-Gespräche: Innovativer Dialog für eine nachhaltige Zukunft

Seit 35 Jahren stehen die Bremer Universität-Gespräche für Innovation, Dialog und einen Blick in die Zukunft. Die Kooperation zwischen der Stiftung der Universität Bremen, der Wolfgang-Ritter-Stiftung und dem Verein der Unifreunde hat eine einzigartige Plattform geschaffen, die Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft zusammenbringt.

mehr lesen
Für eine bessere Zukunft

Für eine bessere Zukunft

Die Wolfgang-Ritter-Stiftung ist Matching-Fund-Partner für internationale Doktoranden – und leistet damit einen Beitrag für globale, akademische Exzellenz, stärkt hochtalentierte junge Menschen (wie Adrien Donneaud im Bild) mit besonderen Forschungsansätzen und mit dem Wunsch, die Gesellschaft weiterzuentwickeln.

mehr lesen
Ein großartiges Projekt

Ein großartiges Projekt

Es ist das größte öffentlich-private Förderprojekt, das es in Deutschland je gab: das Deutschlandstipendium. Und die Wolfgang-Ritter-Stiftung ist Teil dieser besonderen Bildungspartnerschaft.

mehr lesen
Studienpreise verliehen

Studienpreise verliehen

Herzlichen Glückwunsch: Bremer Studentinnen und Studenten haben den Wolfgang-Ritter-Studienpreis gewonnen. Im Bild die Masterabsolventen Franziska Frese, Sophie Gerdemann und Martin Meyer.

mehr lesen
Ein Bremer in Harvard

Ein Bremer in Harvard

Krystian Teodor Lange hat an der Harvard Kennedy School „Public Policy“ studiert. Die Wolfgang-Ritter-Stiftung hat ihm dabei geholfen. Jetzt gründet er ein Software-Unternehmen und will als „digital nomad“ die Welt kennenlernen.

mehr lesen
Stifterischer Schub

Stifterischer Schub

Wissenschaft muss in der Gesellschaft ankommen – dazu können Stiftungen einen wesentlichen Beitrag leisten, ist Alexander Witte überzeugt. Er saß auf dem Podium beim Tag der Stiftungen am 1. Oktober 2021. Eingeladen hatten das Stiftungshaus Bremen und die Uni-Stiftung.

mehr lesen
High Potentials – weltumspannend

High Potentials – weltumspannend

Vaishnavi Venugopalan (im Bild) und Majid Sodachi sind zwei leistungsstarke junge Nachwuchswissenschaftler an der Jacobs University Bremen. Stipendien spielen für ihre zellbiologischen bzw. logistischen Forschungsarbeiten eine zentrale Rolle.

mehr lesen
Impulse für die Zukunft

Impulse für die Zukunft

Uni-Stiftung und Wolfgang-Ritter-Stiftung ziehen an einem Strang: Sie begleiten das Uni-Jubiläum (50 Jahre Universität Bremen) mit einem großen Stiftungsprojekt: „Macht Sinn. Stiften gehen. Wissen schaffen.“

mehr lesen